GESCHICHTE DER PEKINGOPER

Geburt der Pekingoper

Die Pekingoper entstand vor gerade einmal 200 Jahren. Es gibt andere chinesische Opernformen, die weitaus älter sind, wie beispielsweise die Kun-Oper, die sich bereits im 14. Jahrhundert entwickelte. Als Geburtsstunde der Pekingoper gilt das Jahr 1790, als vier Operntruppen aus der Provinz Anhui nach Peking kamen, um anlässlich des 80. Geburtstags des Kaisers ihre Künste darzubieten. Wenig später begaben sich weitere Theatergruppen aus der Provinz Hubei in die Hauptstadt. Über die Jahre hinweg nahm die Pekingoper durch die Kombination verschiedener Musik- und Aufführungstechniken langsam Gestalt an.

Die Pekingoper war an und für sich nie eine exklusive Kunstform, von Beginn an wurden die Vorstellungen sowohl am Kaiserlichen Hof als auch vor der einfachen Bevölkerung dargeboten, womit eine breite Zuhörerschicht mit unterschiedlichsten sozialen Hintergründen erschlossen werden konnte. Anfänglich waren nur männliche Darsteller auf der Bühne gestattet. Erst ab 1870 war es Frauen erlaubt, an Aufführungen teilzunehmen. Nichtsdestotrotz erfreuen sich männliche Darsteller in den Dan Rollen bis heute großer Beliebtheit.

Von der Hauptstadt ins ganze Land

Seit 1890 breiteten sich in ganz China mobile Theatergruppen aus, die als fahrendes Volk durchs Land zogen. Ende des 19. Jahrhunderts hatte sich die Pekingoper den Status der begehrtesten chinesischen Opernform erstritten. Peking war das Zentrum der Theaterszene. Das Qianmen Viertel im Süden der Verbotenen Stadt hatte sich zu einem blühenden Handelszentrum entwickelt, das zahlreiche Theater, Teehäuser und Restaurants beherbergte und wo viele künstlerische Bewegungen zuhause waren. Pekingoper wurde Teil der Alltagskultur. In Theatern und Pekingopern-Ensembles wurden bald neuartige Verwaltungsstrukturen eingeführt.

Vom Teehaus ins Theater

Ursprünglich wurde Pekingoper in xiyuanzi aufgeführt, was soviel wie Teegärten bedeutet. Zu dieser Zeit saßen sich die Zuschauer auf Bänken gegenüber und bezahlten lediglich für den Tee, nicht für die Vorstellungen. Pekingoper fungierte schlicht als Begleitunterhaltung, einige Aufführungen währten bis zu zwölf Stunden lang. Dies änderte sich erst mit der Einführung sogenannter Theatergärten wo alle Bänke mit Blick auf die Bühne installiert wurden. Bis 1931 waren männliche und weibliche Zuschauer voneinander getrennt, die Männer saßen im Parkett und die Frauen auf den Rängen. Während der Periode der Chinesischen Republik (1911-1949) wurden neue Theater geöffnet, die mit westlichen Bühnen vergleichbar sind.

Pekingoper in der Welt

Eine der bedeutendsten Persönlichkeiten der Pekingoper, Mei Lanfang, war der erste Pekingoper-Darsteller, der mit seinem Ensemble im Ausland aufgetreten ist. Seine Interpretation der Dan Rollen ist legendär und prägte eine komplett neue Aufführungspraxis. Seit den 1920er Jahren besuchte Mei Lanfang Länder wie Japan und die USA, wo er herausragende Erfolge feiern konnte. Pekingoper ist seitdem auf der ganzen Welt gezeigt worden und bei Kulturaustauschen mit China sehr beliebt. 2010 wurde die Pekingoper von der UNESCO zum Immateriellen Weltkulturerbe erklärt.

Über die Vorstellung

Klassische Stücke

Einige der klassischen Stücke, die während der Qing Dynastie geschrieben wurden, könnten heutzutage kaum mehr aufgeführt werden. Einige davon bestehen aus bis zu 24 Akten; diese einzustudieren würde Jahre dauern; sie aufzuführen mehrere Tage. Das epische Stück names Shengping baofa ("The Precious Raft of Exalted Peace"), von Kaiser Qianlong, einem großen Pekingopernliebhaber, in Auftrag gegeben, erzählt die Geschichte eines Mönchs und seinen drei Kameraden auf dem Weg nach Westen auf der Suche nach buddhistischen Schriften. Das Stück ist der Erzählung "Die Reise nach Westen" entnommen, einem der vier klassischen Romane Chinas, und besteht aus sage und schreibe 240 Akten!

Heutzutage wird die Pekingoper in der Regel in konzentrierter Form aufgeführt, dem zhezi xi. Dabei handelt es sich um einen Einakter, der einem Stück entnommen ist, das eigentlich mehrere Akte umfasst. Es ist das Highlight eines Dramas, welches die Leute niemals müde werden, zu sehen.

Die Stücke der Pekingoper lassen sich in "zivile Stücke" und "kriegerische Stücke" unterscheiden. Zivile Stücke konzentrieren sich auf das Verhältnis zwischen den Charakteren und erzählen Geschichten über Liebe und Intrigen. In dieser Sorte von Stücken herrschen ältere Charaktere und Dan Rollen auf der Bühne vor. Ein berühmter Ausschnitt eines zivilen Stücks ist beispielsweise "Farewell my Concubine", das die letzten Momente eines Eroberers mit seiner liebsten Konkubine wiederspiegelt. Kriegerische Stücke beinhalten in der Regel Szenen mit Action, Akrobatik und Kampfkunst. Junge shengs, jings und chous sind die Hauptcharaktere. "At the Crossroads", ein hochunterhaltsames Stück, das einen Kampf in der Finsternis abbildet, ist ein beliebtes Beispiel für ein kriegerisches Stück.

Bühne und Ausstattung

In der Pekingoper ist die Vorstellungskraft der Zuschauer gefragt, ursprünglich bestand die Ausstattung lediglich aus "einem Tisch und zwei Stühlen". In modernen Stücken wird oft ein bemalter Bühnenvorhang im Hintergrund angebracht, auf dem die Szenerie abgebildet ist. Während der Aufführung verwenden die Darsteller verschiedene Hilfsmittel und Objekte, wie Peitschen, Tabletts, Waffen, Truhen und andere. Entsprechend ihrer Position auf der Bühne und der Art und Weise, wie der Darsteller mit ihnen interagieren, können diese Objekte eine Fülle konkreter Dinge oder abstrakter Konzepte bedeuten. Sie sind symbolisch, womit stets die Vorstellungskraft des Publikums gefragt ist, um ihre Funktion in verschiedenen Situationen zu verstehen.

Nehmen wir beispielsweise einen Tisch: er kann als Bett fungieren, als Hilfsmittel um ein Objekt in weiter Ferne zu beobachten, als Brücke, Berg, Turm oder auch als Wolke. Oder stellen wir uns einen Stuhl vor, der als Waffe eingesetzt werden kann. Also wenn ein Darsteller eine Peitsche in der Hand hält, was wird das wohl bedeuten? Er sitzt natürlich auf einem Pferd.

Neben realen und bewegbaren Objekten gibt es auch eine Fülle von scheinbaren und imaginären Hilfsmitteln, deren Form und Funktion durch die Bewegungen der Darsteller angedeutet werden. In dem Stück "Picking up a Jade Bracelet" zum Beispiel näht ein Mädchen eine Schuhsole. Die Sohle ist real, die Nadel hingegen imaginär.

Musik & Orchester

Anders als Opern im Westen, die sich durch ihre Komponisten auszeichnen, stützt sich die Pekingoper nicht auf den Komponisten, sondern basiert auf einem Muster an traditionellen kodifizierten Melodien. Der Gesang folgt hauptsächlich zwei Melodien, zum einen xipi, mit dem aufgeladene Stimmungen übermittelt werden sollen, wie Glück, Zorn und Aufregung, zum anderen erhuang, das gedrückte Stimmungen vermittelt wie Gedankenversunkenheit, Trauer und Melancholie. Die Sätze bestehen aus fünf oder sieben (chinesischen) Zeichen, wobei jede Silbe ein Zeichen ausmacht.

Anders als in westlichen Opern, in welchen das Orchester im Orchestergraben spielt, sitzt das Pekingopernorchester normalerweise auf einer Seite der Bühne und ist häufig von den Blicken des Publikums abgeschnitten. Das Orchester ist in zwei Gruppen unterteilt, die zivile (wenchang) und die militärische (wuchang). Die erste Gruppe begleitet den Gesang und besteht aus Instrumenten wie der jinghu, der eine anleitende Rolle zukommt, der yueqin und der pipa. Die zweite Gruppe begleitet Schauspiel, Tanz und Kampfszenen; hier stehen Perkussionsinstrumente wie Trommeln, Gongs und Becken im Vordergrund.

Rollen und Darsteller

Rollen

Die Rollen der Pekingoper sind in vier feststehende Charaktere unterteilt: sheng (männliche Rolle), dan (weibliche Rolle), jing (Rolle mit bemaltem Gesicht) und chou (männliche Clowns). Verschiedene Gesangs- und Aufführungspraktiken haben verschiedene Aufführungslehren geprägt. Jeder Charaktertyp folgt während der Vorstellungen einer Reihe von Konventionen.

 

Sheng (生) ist die männliche Hauptrolle der Pekingoper und wird in zahlreiche Untertypen aufgegliedert. Zum Beispiel ist Laosheng eine ältere, ehrwürdige Figur mit sanftem, kultiviertem Charakter. Ein junger Mann oder Xiaosheng singt mit hoher, schriller Stimme mit gelegentlichen Unterbrechungen. Die Wusheng-Rolle verkörpert einen kriegerischen Charakter und beinhaltet auch die Darstellung von Kampfsituationen, was vom Schauspieler ein hohes Niveau an Kampfkunsttechnik verlangt. Ein Wusheng singt mit einer natürlichen Stimme.

Dan (旦)ist die weibliche Rolle der Pekingoper. Dan-Rollen wurden ursprünglich in fünf Untertypen eingeteilt: Alte Frauen wurden von der Laodan gespielt, kriegerische Frauen waren die Wudan und junge kriegerische Frauen die Daomadan, tugendhafte Frauen mit einem gewissen Status hießen Qingyi, während lebendige, unverheiratete Frauen Huadan genannt wurden. Eine Schauspielertruppe hat eine junge Dan, die Hauptrollen spielt, und eine ältere Dan für die Nebenrollen.

 

Jing (净) bezeichnet eine männliche Rolle mit bemaltem Gesicht. Je nach dem Repertoire der Operntruppe spielt er entweder eine Haupt- oder Nebenrolle. Jing ist meist ein energischer Charakter mit kräftiger Stimme, dessen Gesten oft übertrieben wirken. Es gibt 15 grundlegende Muster für die Bemalung des Gesichts, die in über tausend spezifischen Variationen abgewandelt werden. Jedes Muster steht für eine bestimmte Figur.

Chou (丑) ist die männliche komische Figur und spielt meist eine untergeordnete Rolle in einer Truppe - die meisten Studien über die Pekingoper klassifizieren ihn als Nebenrolle. Bei der Rolle des Chou unterscheidet man Wenchou, zivile Rollen wie Händler oder Gefängniswärter, und Wuchou, militärische Rollen. Chou-Charaktere sind meist lustig und liebenswürdig, manchmal auch etwas einfältig. Das Kostüm kann ganz einfach sein, wenn der Chou einen Charakter von niedrigem Status darstellt - oder auch höchst kunstvoll, um einen hohen Status zu symbolisieren.

Make-up und Kostüme

Die Fülle an Farben und Mustern des Make-ups und der Kostüme gehören wohl zu den faszinierendsten Merkmalen der Pekingoper. Jede Rolle hat ihr bedeutungsvolles Make-up und jedes Kostüm verrät eine Menge über die Natur der Charaktere.

Das Make-up der dan und sheng Rollen wird manchmal als "verschönerndes Make-up" bezeichnet (junban) und ist relativ einfach: zunächst wird eine Schicht weißen Make-ups auf Ölbasis aufgetragen; danach folgt pfirsichroter Rouge, der mit der Hand von den Augenbrauen ausgehend auf Augen und Wangen verteilt wird; anschließend wird schwarze Tinte auf Wasserbasis verwendet, um dicke schwarze Linien um die Augen und Brauen herum zu zeichnen; zum Schluss werden die Lippen mit Farbe hervorgehoben.

Das Make-up der jing und chou Rollen wird als "maskenartiges Make-up" (lianpu) bezeichnet und ist weitaus aufwendiger. Was die Gesichtsbemalung der jing so spannend macht, ist der Umstand, dass sich die angestrebte Persönlichkeit in den Mustern wiederspiegelt. Ob tapfer, loyal oder betrügerisch, ein erfahrener Peking-Operngänger benötigt nur einen kurzen Blick auf das Gesicht eines jing um sein wahres Wesen zu erkennen.

Gesichter des jing können nach ihren Farben unterschieden werden: rot bedeutet Aufrichtigkeit und Loyalität; schwarz deutet auf einen rauen und direkten Charakter hin; blau verheißt Tapferkeit und Stolz; weiß bedeutet Verrat.

Gesichtsbemalungen des jing können auch anhand ihrer Gesichtsmuster unterschieden werden, also dem Verhältnis von Augen, Brauen, Stirn, Nase und Mund. Es gibt bis zu 26 verschiedene Typen an Augenbrauen: Sägezahn-Augenbrauen, Enteneier-Brauen, Schmetterlings-Augenbrauen, Weidenblatt-Augenbrauen, Fledermaus-Augenbrauen und viele andere. Darsteller, die den jing verkörpern, schminken sich in der Regel selbst, es sei denn, es handelt sich um berühmte und anerkannte Darsteller, die über ihren eigenen Assistenten in der Maske verfügen.

Die Kostüme können in vier Kategorien unterteilt werden: mang, eine Robe die nur von Mitgliedern der kaiserlichen Familie, Präsidenten und Generälen getragen werden kann; pei, die legere Variante für die kaiserliche Familie und die Oberklasse; kao, eine Art Rüstung, wird von Kriegern getragen; zhezi ist die Kleidung der Mittelklasse und einfachen Leute. Alles andere fällt unter den Oberbegriff yi (Kleidung). Zu jeder Gruppe gehören zahlreiche Unterkategorien und Variationen, die sich in Farben und Mustern unterscheiden. Neben den Roben gehört aufwendiges und farbenprächtiges Schuhwerk zum Kostüm sowie Accessoires wie Kronen, Helme, Hüte, Haarteile, Gürtel und viele andere.

Cao Cao, der berüchtigte Warlord aus der Zeit der Drei Reiche (220-280 n. Chr.) trägt einen mang.

 

Der schliche, schwarze Hut aus Nesselstoff mit zwei seitlichen Flügeln deutet auf einen einflussreichen Herrscher hin.
Der dicke schwarze Bart aus Yak-Federn ist typisch für die jing Rolle, die häufig militärische Führer verkörpert. Die schwarze Farbe weist auf ein mittleres Alter hin. Ältere jing tragen graue oder weiße Bärte.
Jadegürtel werden verwendet, um auf den Status eines Nobelmanns oder höheren Offiziers zu verweisen, sowohl bei männlichen, als auch weiblichen Charakteren.
Rot wird in der Regel vom Adel getragen. Der mang, der mit wasserspeienden Drachen verziert ist, symbolisiert Cao’s Durst nach Eroberung. Ursprünglich war es nur dem Kaiser gestattet, Drachen auf seinen Gewändern zu tragen.
Militärische Führer tragen einen offenen Übermantel.
Die Stiefel mit dicker Sohle sind unter den jing und den sheng weit verbreitet. Je dicker die Sohle, desto höher der Status.

Sun Shangxiang, die geschickte und gefürchtete Kriegerin, Schwester des Kaisers Da aus der Wu Dynastie (182-252 n. Chr.), trägt einen kao.

 

Das edle "Sieben Sterne" - Diadem besteht aus drei Reihen mit je sieben Puscheln. Außerdem sind darauf zwei lange Federn angebracht. Während des Kampfes schwingen die Federn in alle Richtungen und lassen die Figur dabei majestätisch aussehen.
Der sogenannte "Wolkenumhang" wird um den Hals getragen und von den Schultern gestützt. Während der Qing-Dynastie (1644-1911) wurde dieses Gewand von Frauen aller Schichten getragen, vor allem zu besonderen Anlässen wie Hochzeiten oder Feiertagen.
Flaggen
Die "feste" Rüstung, die normalerweise mit Flaggen verziert ist, verweist darauf, dass der Darsteller voll bewaffnet ist und bereit zum Kampf. Sie kann sowohl von Männern, als auch von Frauen getragen werden.  Weniger aufwendige Rüstungstypen werden von Kriegern während Zeremonien und gesellschaftlichen Anlässen getragen.

Xiao Qiao, die hingebungsvolle Frau des Generals Zhou Yu (175-210 n- Chr.) trägt ein pei.

 

Kronjuwelen
Mit Edelsteinen besetztes Ornament
Blaue filigrane Schmucknadeln
Die datou ist die bei qingyi Rollen (junge Frauen) beliebteste Frisur. Mehrere Schritte sind von Nöten, um die Haare so zu frisieren. Zunächst werden Stoffstreifen verwendet, um die Haut auf der Stirn zu spannen. Dann werden die Haare angebracht; einige Locken oben auf der Stirn, weitere Büschel auf den Seiten und an den Wangen entlang. Das ganze wird mit Haarnadeln befestigt. Dann wird eine Perücke auf den Hinterkopf aufgesetzt. Abschließend werden weitere Haarzierden, Schmuck und Blumen befestigt.
Die pinke Farbe und das Pfingstrosenmuster sind typisch für eine junge Dan Figur.

Xu Xian, der bescheidene Gelehrte, der sich in die legendäre Weiße Schlange verliebt, trägt ein zhezi.

 

"Entenschwanz" - Stoffhut: Hut der im antiken China vom gemeinen Volk getragen wurde. Er ist hoch und schmal geformt und leicht nach vorne gekrümmt; obenauf sind Quasten angebracht, die einen Entenschwanz symbolisieren.
Kollier mit zwei gemusterten Streifen.
Hellblaues pei: das fliederfarbene Gewand wird oft von Gelehrten getragen, die aus armen Familien stammen oder die mehrfach durch die kaiserlichen Prüfungen gefallen sind.
"Glücksschuhe" mit dem aufgestickten chinesischen Zeichen shou (long life). Wird normalerweise von älteren Bürgern getragen (laodan oder laosheng), oder von wenxiaosheng (junge Männer geringeren Standes).

Fertigkeiten und Ausbildung

Pekingopern und westliche Opern unterscheiden sich in vielerlei Hinsicht voneinander. Eine der Hauptunterschiede liegt in den Fähigkeiten, die ein Darsteller zu perfektionieren hat und damit in seiner Ausbildung. Der Pekingoper-Darsteller sollte versiert sein auf den Gebieten Gesang, Rezitation, Schauspiel und Akrobatik.

Gesang. Das Vokalmusiksystem im Westen unterscheidet Sopran, Mezzosporan, Alt, Tenor, Bariton und Bass. Der Komponist entscheidet beispielsweise, welche Stimmlage er der Rolle eines jungen Mannes zuordnet. Das Vokalmusiksystem in der Pekingoper unterscheidet sich vollkommen davon. Jeder Rollentyp hat seinen eigenen, besonderen Gesangsstil, wobei innerhalb jeder Rollenkategorie noch einmal viele andere Gesangsarten unterschieden werden. Nehmen wir beispielsweise die Rolle der Dan, eine lao dan (ältere Frau) verwendet normalerweise konventionellen Gesang, wobei die Rolle der qing yi  (junge Frau) mit Falsett-Stimme singt. Ein Darsteller kann alle möglichen Rollen verkörpern, solange er oder sie die jeweilige gesangliche Stilrichtung beherrscht. So kann eine Sängerin die männliche Rolle des Jing annehmen und ein Sänger in eine weibliche Dan Rolle schlüpfen.

Rezitation. Über die Rezitation wird die Geschichte vorgetragen, während über den Gesang eher Gefühle transportiert werden. Der Darsteller spricht in sogenanntem changbai, einer Sprechweise, die sich von konventioneller Sprache unterscheidet und die insbesondere mit Blick auf die Anrede reichlich anspruchsvolles Vokabular verwendet. Der Darsteller hebt und dämpft seine Stimme und verlängert einige Silben um einen speziellen Rhythmus zu erzeugen. Die Zielsetzung liegt darin, eine Konversation niemals realistisch abzubilden.

Schauspiel. Ein Pekingoper-Darsteller muss herausragende Fähigkeiten in Bezug auf Mimik und Gestik besitzen. Mit der spärlichen Ausstattung des Bühnenbilds muss er Situation und Umfeld mit Gesten beschreiben. Wenn der Darsteller auf der Bühne erscheint und ihm ein Diener mit Kerze in der Hand folgt, weiß der Zuschauer sofort, dass die Szene in der Nacht spielt; genauso wenn er eine Tür öffnet oder schließt, auch wenn sich nirgendwo eine Tür befindet; oder er steigt auf ein imaginäres Pferd und sattelt sich wieder ab, usw.

Akrobatik. Die Akrobatikszenen erfreuen sich vor allem bei Zuschauern im Westen großer Beliebtheit. Die Akrobatikfähigkeiten eines Darstellers dürfen insbesondere bei Kampfkunstszenen bestaunt werden. Die Kämpfe sind häufig das Highlight der kriegerischen Stücke.

Heutzutage werden die Darsteller zunächst in Akrobatikkunst trainiert, gefolgt von Gesang und Schauspiel. In modernen Schulen steht die Aufführungspraxis und –theorie auf dem Lehrplan. Die Ausbildung erfolgt weiterhin in Form von Einzelunterricht; der Lehrer bewertet seine Schüler und vermittelt erste Rollen. Vielversprechende Schüler können es einmal bis in die Hauptrollen schaffen, während Darsteller mit weniger Aufführungstalent später manchmal als Musiker eingesetzt werden.